Partnerschaft, Sexualität, Familie
Diese drei Themen berühren maßgebliche Lebensbereiche aller Menschen. Die erste LICHT INS DUNKEL-Dialogveranstaltung beleuchtete Partnerschaft, Sexualität, Familie im Kontext von Behinderungen und bot damit ein offenes Forum für Austausch.

Über die Projektförderung und die Soforthilfe setzen wir seit mehr als 50 Jahren wichtige Impulse zur Inklusion von Menschen mit Behinderungen. Nun gehen wir einen Schritt weiter und leisten mit der neu ins Leben gerufenen Dialogreihe „Dialog – Inklusion – Leben“ einen Beitrag zur Bewusstseinsbildung und öffnen einen Diskussionsraum. In vier interaktiven Dialogforen beleuchten wir, vor welchen zusätzlichen Herausforderungen Menschen mit Behinderungen in unterschiedlichen Lebensbereichen stehen und welche Lösungen es gibt. Die Dialogforen sollen andere Botschaften hörbar machen als sonst. Der Blick ist dabei klar nach vorne gerichtet. Wir bewegen uns mit ihnen weg vom Image Menschen mit Behinderungen seien arme Opfer oder bräuchten Mitleid und hin zu einem zeitgemäßen Bild von Menschen mit Behinderungen.

Das Bild von Menschen mit Behinderungen weicht in der breiten Bevölkerung von deren Selbstverständnis ab, es hinkt hinter dem Selbstbild der Szene hinterher. Mit den Dialogforen wollen wir das ein Stück weit ändern.
Mag. Mario ThalerGeschäftsführer von LICHT INS DUNKEL

Berichte aus erster Hand
Im ersten Dialogforum tauschten sich die rund 70 Teilnehmer*innen, viele davon aus der Behinderten-Community, zu emotionaler Nähe, Intimität und Familienkonstellationen aus und brachten sich mit ihren Erfahrungen, ihrem Wissen und ihren Ideen ein. Nach der Lesung eine Literatur-Bootschafterin schilderte ein blindes Ehepaar die Herausforderungen, die sich aus dem Leben mit einer sehenden Tochter ergibt. Ein Ehepaar, beide dem beide das Down-Syndrom haben, erzählte davon, was ihnen in ihrer Beziehung wichtig ist.

Auch zwei LICHT INS DUNKEL-Projekte, die die sexuelle Selbstbestimmung fördern, wurden vorgestellt: Pimp Your Doll, das Menschen mit Behinderungen das Ausleben der sexuellen Selbstbestimmung ermöglicht, sowie die Fachstelle .hautnah., die Menschen mit Behinderungen und ihre Angehörigen bei Fragen rund um Liebe, Beziehung und Sexualität berät. Zum Ausklang legte ein DJ des Firefly Club auf. Das Dialogforum war nicht nur baulich barrierefrei: Es gab auch Gebärdensprachdolmetschung und Live-Untertitelung sowie eine graphische Zusammenfassung in einfacher Sprache.
Liebesbeziehung über Barrieren hinweg ist ein Menschenrecht
„Unser Wunsch nach Partnerschaft ist nichts Exotisches, sondern ein Menschenrecht“, lautete der Tenor. Es gibt in der Gesellschaft noch viele Vorurteile, die aufgebrochen werden müssen. Die Darstellung in den Medien spielt dabei eine wichtige Rolle. Ein weiteres Problem: Es gibt zu wenige barrierefreie, inklusive Begegnungsräume, die ein Kennenlernen zwischen Menschen mit und ohne Behinderungen ermöglicht. Denn Menschen mit Behinderungen wollen ein selbstverständlicher Teil der Gesellschaft und nicht nur unter sich sein. Auch Dating-Apps sind kein inklusiver Raum. Dort hat man als Mensch mit Behinderung kaum Chancen und das obwohl die Hürde des ersten Eindrucks bei manchen wegfällt.

Selbstbestimmte Sexualität ist elementar
Expert*innen wie Teilnehmer*innen waren sich einig: Die Tabuisierung von Sexualität trifft Menschen mit Behinderungen stärker. Letztlich sogar so stark, dass ihnen der Wunsch nach Intimität abgesprochen wird. Es brauche flächendeckende Aufklärung, auch bei Angehörigen und Erwachsenenvertretern, sowie sichere Räume, um Sexualität ohne Bewertung ausleben zu können. Auch die fehlende Förderung von Sexualbegleitung wurde kritisch angemerkt.


Familienkonstellationen außerhalb der vermeintlichen Norm
Im Kontext von Familien spielt Barrierefreiheit ebenfalls eine wichtige Rolle. Unter anderem, weil sie gemeinsame Aktivitäten erst ermöglicht. Mehr noch als bei anderen Familien ist ein eigenes Netzwerk elementar, um ein Kind mit Behinderung bei Erkrankung der Eltern adäquat versorgt zu wissen. Auch in einem weiteren Punkt kann Familie bei einem oder zwei Eltern mit Behinderung etwas Besonderes bedeuten: Wenn eine Persönliche Assistenz ein Elternteil betreut, so wird sie zwar zu einem wichtigen Teil der Familie, hat jedoch eine klare außerfamiliäre Rolle. Einhelligkeit herrschte in diesem Zusammenhang in einem weiteren Punkt: Kinder dürfen nicht zu Pflegekräften ihrer Eltern heranwachsen, nur weil die Persönliche Assistenz unzulänglich finanziert ist.

Wir werden die eingebrachten Wünsche und Forderungen gerne im Austausch mit Interessensvertretungen weitergeben und sie weiter diskutieren. Hier können Sie die Abschrift der Post-Its von den Diskutant*innen an den Dialogtischen einsehen.