Nicht sichtbar, dennoch da
Es gibt unterschiedliche Behinderungen, manche davon nehmen vor allem die Betroffenen selbst wahr. Man spricht dann von einer nicht sichtbaren Behinderung, denn sie bleibt weitgehend unbemerkt. Die Zahl der Betroffenen ist weit höher, als man glauben mag.

Die Statistik Austria geht von 1,9 Millionen Menschen in Österreich aus, die mit einer Einschränkung leben, das Sozialministerium von 1,3 Millionen. Das zeigt, wie schwer diese Bevölkerungsgruppe zu erfassen ist, denn nicht jede Behinderung ist beim Sozialministeriumservice registriert. Und vor allem, nicht jede Behinderung ist als solche gleich erkennbar. Im Gegenteil, Studien gehen davon aus, dass nur etwa zehn Prozent der Menschen mit Behinderungen mit einer sichtbaren Behinderung leben.
Ein breites Feld an nicht sichtbaren Behinderungen
Bei Behinderung denken viele erst mal an Rollstuhl, Blindenstock bzw. weißer Stock oder Gebärdensprache. Bei diesen Gruppen kann man sich vorstellen, wie bauliche und soziale Barrieren aussehen können. Bei Menschen mit nicht sichtbaren Behinderungen ist es schon schwieriger, denn das Feld ist breit gefächert. Zu den nicht sichtbaren Behinderungen zählen unter anderem Multiple Sklerose, chronische Schmerzen wie Fibromyalgie, chronische Erschöpfung und ME/CFS, kognitive Beeinträchtigungen, Neurodivergenz wie Autismus und ADHS, Epilepsie, psychische Erkrankungen wie Depression und Angststörung, Schwerhörigkeit, aber auch Krebs.
Jede Beeinträchtigung, die länger als sechs Monate dauert, wird als Behinderung angesehen, weil sie Teilhabe maßgeblich erschwert und Betroffene mit Hürden konfrontiert sind, die Menschen ohne Behinderungen so bzw. in der Intensität nicht erleben. Fakt ist aber, dass nicht alle, die nach dieser Definition als Mensch mit Behinderung gelten, sich selbst als solcher sehen. Ein weiteres Fakt ist, dass Behinderungen periodisch oder episodenhaft auftreten können. Auch können Behinderungen erst im Laufe des Lebens erworben werden. Und einige Behinderungen sind anfangs nicht sichtbar, mit Fortschreiten der Erkrankung jedoch schon. Kein Wunder also, dass die Zahlen so weit auseinander gehen.
„Sie sehen doch gar nicht krank aus“
Wer nicht offensichtlich mit einer Behinderung lebt, dem oder der wird ihr Erleben oft abgesprochen. Mit einem dahingesagten „Sie sehen doch gar nicht krank aus“ werden Betroffene als Simulanten oder Simulantinnen beziehungsweise als Schwächlinge hingestellt. Sie werden in die Situation gedrängt, sich rechtfertigen oder gar beweisen zu müssen. Etwa, warum sie auf einem Behindertenparkplatz stehen, obwohl sie keinen Rollstuhl nutzen. Diese Skepsis verstärkt das Stigma oder Tabu, das einer bestimmten Einschränkung anhaftet. Und so überlegen es sich Betroffene sehr gut, ob sie mit ihrer Behinderung offen umgehen oder sie lieber für sich – und somit nicht sichtbar – behalten. Dieses Versteckspiel ist kräftezehrend. Menschen mit Behinderungen müssen dann Situationen selbst meistern, für die sie eigentlich Unterstützung benötigen.
Sonnenblume als Symbol für Verständnis
Wie kann man jemanden Hilfe zuteilwerden lassen, wenn man nicht weiß, dass er oder sie diese braucht? Diese Frage stellte sich ein Team am Flughafen Gatwick und entwickelte 2016 das Symbol „Hidden Disabilities Sunflower“. Es ist auf Umhängebändern, Anstecknadeln oder Armbändern abgebildet und signalisiert, dass jemand womöglich Verständnis, Unterstützung oder mehr Zeit braucht. In Großbritannien erhält man dieses Symbol mittlerweile an vielen Flughäfen, bei Airlines, in Spitälern, Supermärkten, Shopping-Centern und Banken. Die Sonnenblume hat bereits eine weltweite Reise hinter sich und wird vom Flughafen in Melbourne über Dubai bis New York eingesetzt. Auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter am Flughafen Wien und von Austrian Airlines sind entsprechend geschult. Man erhält Sunflower-Produkte kostenfrei am Airport Service Schalter in den Terminals 1 und 3.